In seiner heutigen Rede in der Betriebsversammlung der Frankenwaldklinik hat Landtagsabgeordneter Jürgen Baumgärtner zahlreiche Themen angesprochen, die für die Zukunft der Kreisklinik entscheidend sind: den Wert von betrieblicher Mitwirkung und Mitbestimmung, die Frage nach einer Zukunftsstrategie für die Frankenwaldklinik, erforderliche Gesetzesinitiativen und neue Förderungen durch den Freistaat Bayern. Im Folgenden finden Sie die Rede:
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Betriebsrätinnen und -räte,
ich danke Ihnen sehr herzlich für die Einladung zu Ihrer Betriebsversammlung. Ich fühle mich geehrt, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Ich bin der Klinik ganz und gar emotional verbunden, habe ich doch nicht weit von hier öfter einmal die Hausaufgaben gemacht, und der eine oder andere Arzt hat mir auch immer netterweise geholfen - und damals wie heute hat vieles nur funktioniert, weil sich das Personal unglaublich engagiert hat und damals wie heute werden viele Überstunden nicht aufgeschrieben, damals wie heute steht bei den meisten von Ihnen der Mensch im Mittelpunkt - dafür danke ich Ihnen herzlich.
Mit dieser Einladung haben Sie mir großes Vertrauen ausgesprochen und dafür bin ich sehr dankbar. Schließlich mussten Sie aufgrund der Einladung in den vergangenen Tagen heftigen Gegenwind aushalten. Ich habe mir in den letzten Tagen intensiv Gedanken über die Reaktion der Helios-Geschäftsführung auf meine Einladung gemacht: Und im Ergebnis halte ich die Vorgänge nicht nur für äußerst bedenklich! Sie sind schlichtweg inakzeptabel!
Dass von Unternehmensseite Druck auf den Betriebsrat ausgeübt wird, weil die Referentenauswahl für die Betriebsversammlung missfällt, ist der Versuch eines massiven Eingriffs in die Arbeitnehmerrechte und eine Attacke auf betriebliche Mitwirkung und Mitbestimmung.
Dabei sind betriebliche Mitwirkung und Mitbestimmung aus sehr gutem Grund grundlegende Elemente unserer Wirtschafts- und Sozialordnung! Sie tragen nicht nur entscheidend dazu bei, dass wir in Deutschland wirtschaftlich so unglaublich erfolgreich sind – sie stellen auch sicher, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Wirtschaftsbetrieb nicht zu Maschinen degradiert werden. Richtig gute Leistungen werden nämlich von Menschen erbracht, die ihre Arbeit gerne tun, mitdenken und mitwirken dürfen!
Was die betriebliche Mitwirkung und Mitbestimmung angeht, bin ich ganz bei dem ehemaligen Chef des Energieversorger EnBW, Utz Claassen, der einmal gesagt hat: „Hände weg von der Mitbestimmung! Wer wirklich auf Veränderung setzt und Reformen erreichen will, kann dies nur schaffen, wenn er die Menschen einbindet und mitnimmt. Eine vernünftige betriebliche Mitbestimmung ist keine Reformbremse, sondern ein Standortvorteil.“
Diese Gedanken möchte ich Ihnen aufgrund der Vorgänge der letzten Tage heute mitgeben – auch wenn ich ursprünglich gar nicht vorhatte, heute eine derart politische Rede zu halten. Sie haben mich gebeten, zu drei Sachthemen zu sprechen und dieser Bitte möchte ich als Landtagsabgeordneter dieses Stimmkreises und als Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Pflege des Bayerischen Landtags gerne nachkommen.
„Zukunftsprogramm Geburtshilfe“
Erstes Thema ist das „Zukunftsprogramm Geburtshilfe“, das der Bayerische Ministerrat im Dezember des vergangenen Jahres auf den Weg gebracht hat. Das Programm ist ein starkes Signal für die Geburtshilfe im ländlichen Raum und wird entscheidend dazu beitragen, dass auch kleine Geburtshilfestationen erhalten bleiben. Ich habe sehr für die Auflage dieses Programms geworben, denn Kinder sind unsere Zukunft und die ländlichen Räume in Bayern brauchen wohnortnahe Geburtshilfestationen, um eine Heimat mit Zukunft zu sein!
Für das Programm ist aktuell ein Gesamtfördervolumen von 30 Millionen Euro vorgesehen und es sieht die Förderung in zwei Säulen vor:
Die erste Säule zielt auf die Unterstützung der Kommunen bei der Sicherstellung der Hebammenhilfe ab. Hierzu sollen Landkreise und kreisfreie Städte für jedes neugeborene Kind pauschal eine Förderung von 40 Euro erhalten, die sie für geeignete Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der Versorgung mit Hebammenhilfe einsetzen können. Hierbei kann es sich z. B. um die Errichtung von Vermittlungszentralen, Werbekampagnen oder andere Maßnahmen handeln, die dazu dienen, die Hebammenversorgung zu stärken. Die voraussichtlichen Fördermittel dafür werden insgesamt knapp fünf Millionen Euro jährlich betragen. Die Mittel der ersten Fördersäule (Hebammenhilfe) sollen bereits im Laufe des Jahres 2018 ausgezahlt werden.
Die zweite Säule sieht die Unterstützung der Kommunen bei der Finanzierung defizitärer Geburtshilfestationen an Krankenhäusern im ländlichen Raum unter bestimmten Voraussetzungen vor. Dafür sind Mittel in Höhe von 25 Millionen Euro pro Jahr eingeplant. Konkret werden die Landkreise und die kreisfreien Städte mit einem staatlichen Zuschuss unterstützt, wenn die Kommune das Defizit der Geburtshilfestation vor Ort ausgleicht, die mangels ausreichender Fallzahlen nicht kostendeckend wirtschaften kann, sich aber gleichzeitig als Hauptversorger in der Region etabliert hat. Der Zuschuss kann bis zu einer Million Euro pro Jahr betragen. 15 Prozent des Defizits muss aber in jedem Fall die Kommune übernehmen. Mit dieser Strukturförderung unterstützt der Freistaat die Landkreise und kreisfreien Städte maßgeblich bei der Sicherstellung des flächendeckenden, qualitätsgesicherten Angebots in der stationären Geburtshilfe.
Die Voraussetzungen für eine Förderung in dem Programm sind, dass das Krankenhaus
– in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt im ländlichen Raum nach dem Landesentwicklungsprogramm liegt,
– einzige Einrichtung in der kreisfreien Stadt oder als eine von maximal zwei Einrichtungen im Landkreis die Fachrichtung „Gynäkologie und Geburtshilfe“ vorhält,
– mindestens 300, höchstens aber 800 Geburten im Jahr versorgt,
– mindestens die Hälfte der Anzahl der Neugeborenen im Landkreis oder der kreisfreien Stadt versorgt,
– vom Landkreis oder der kreisfreien Stadt vor Entstehung des Defizits im Einklang mit den EU-beihilferechtlichen Vorgaben mit der Sicherstellung der stationären Geburtshilfe in seinem Gebiet betraut wurde und
– die planungsrelevanten Qualitätsindikatoren des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Geburtshilfe erfüllt.
Das Programm wird in diesem Jahr starten und im Landkreis Kronach laufen bereits die Vorbereitungen.
Die Geburtshilfe ist für eine Region Herzschlag und Identität !
Zukunft der Frankenwaldklinik / Krankenhauslandschaft in der Region
Weiterhin haben Sie mich gebeten, zur Zukunft der Frankenwaldklinik aus politischer Sicht, insbesondere im Hinblick auf die Krankenhauslandschaft in der Region zu reden.
Dazu möchte ich erst einmal auf die Aussicht zu sprechen kommen, die wir in der Zukunft haben werden. In Lichtenfels werden wir schon ab diesem Jahr auf eines der modernsten sowie ökologischsten Krankenhaus in ganz Bayern mit 276 Betten blicken. Im Helmut-G.-Walther-Klinikum Lichtenfels wird gerade eine einzigarte Kombination von Spitzenmedizin und Umweltschutz verwirklicht.
Schauen wir nach Coburg, können wir wahrscheinlich in Kürze beobachten, wie REGIOMED auf dem ehemaligen BGS-Gelände, einen Gesundheits-Campus baut, der nahezu alle Dienstleistungen, die das Gesundheitswesen kennt, erfassen soll. Die Planungen, die derzeit auf dem Tisch liegen, sehen den Neubau eines Krankenhauses mit 750 Betten und 80 Prozent Einzelzimmern vor. Der Neubau soll modernste Krankenhaus- und Hygienestandards haben. Der ehrgeizige Zeitplan von REGIOMED sieht eine Realisierung schon bis 2020 vor.
Blicken können wir auch nach Kutzenberg, nach Hof und Naila –überall dort sind Baumaßnahmen geplant. Auf alle möchte ich jetzt nicht im Detail eingehen.
Denn es wird Zeit, den Blick auf die Frankenwaldklinik zu richten und zu fragen: Wo stehen wir und wie kann die Zukunft der Frankenwaldklinik aussehen?
Fakt ist, dass Umbau- und Sanierungsmaßnahmen an der Frankenwaldklinik erforderlich sind. Dazu möchte ich aus einem Schreiben des ehemaligen Helios-Geschäftsführers der Frankenwaldklinik, Daniel Frische, an die Regierung von Oberfranken aus dem Jahr 2016 zitieren, in dem steht: „Wie bereits mitgeteilt, entsprechen die mehr als 25 Jahre alten Gebäudeteile der Frankenwaldklinik nicht mehr den heutigen Anforderungen, sind verschlissen und sanierungsbedürftig.“ Dem folgt eine Auflistung von Bereichen, in denen Maßnahmen notwendig sind – darunter Pflegestationen, der OP-Bereich, die Abflussleitungen, die Fassade usw.
Dass damals die Initiative vom Geschäftsführer der Frankenwaldklinik ausging, habe ich sehr begrüßt und an den ersten Gesprächen – auch zum Thema „Neubau statt Sanierung“ – habe ich gerne mitgewirkt. Deswegen finde ich es umso bedauerlicher, dass die jetzige Geschäftsführung das Thema offensichtlich auf Eis gelegt hat und die Möglichkeit eines Neubaus nicht mehr in Betracht zieht.
Denn wir müssen uns vor Augen führen: Rund um Kronach entstehen neue Krankenhäuser. Das Gebäude der Frankenwaldklinik ist mittlerweile in die Jahre gekommen und in einigen Bereichen besteht umfangreicher Sanierungs- und Umbaubedarf. Ein Krankenhausgebäude muss heute und in Zukunft modernen Standards entsprechen. Eine Modernisierung des Gebäudes der Frankenwaldklinik ist also unumgänglich, um auch zukünftig eine zeitgemäße und leistungsfähige klinische Versorgung bieten zu können. Und ich denke, es ist nur vernünftig, darüber nachzudenken, ob diese Modernisierung am besten mit einem Neubau realisiert werden sollte.
Zu Gesprächen über die Zukunft der Frankenwaldklinik gehört auch immer die eine Frage: War es richtig, die Frankenwaldklinik zu privatisieren? Und ich sage dazu: Nein, das war es nicht! Ich war immer gegen die Privatisierung der Frankenwaldklinik, weil ich denke, dass ein Kreiskrankenhaus zur kommunalen Daseinsvorsorge gehört und der Staat eine besondere Verantwortung für die Sicherstellung der klinischen Versorgung hat. Der Staat ist nämlich dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht den Aktionären. Deswegen bin ich grundsätzlich für andere Wege als den der Privatisierung. Ich denke, kommunale Klinikverbünde sind ein guter Weg, der es möglich macht, durch Kooperation Vorteile zu erschließen, von denen auch private Krankenhauskonzerne profitieren.
Sicher gibt es auch Argumente für Privatisierung, wie knappe kommunale Kassen, effizientere Strukturen, qualitativ hochwertigere Gesundheitsleistungen durch stärkeren Wettbewerb, den Vorteil von Synergien in größeren Konzernen – aber am Ende ist für mich vor allem eine Sache entscheidend: Wenn der Profit auf Kosten der Menschen ungebremst in den Vordergrund rückt, dann sind wir auf jeden Fall auf dem falschen Weg. Dann müssen wir gesetzlich Grenzen setzen. Deswegen fordere ich die gesetzliche Festlegung von Personalmindeststandards und die Begrenzung des möglichen Gewinnanteils in Kliniken!
Ich bin aber weit davon entfernt, die große Politik auf Kosten der Menschen in dieser Region zu machen. Wir sind privatisiert und wir sollten gemeinsam an einem Strang ziehen, zum Wohle aller.
Die CSU und ich waren immer und sind noch immer gesprächsbereit auf der Grundlage von Vertrauen und Ehrlichkeit.
KVB-Bereitschaftspraxis / Notarztversorgung
Nachdem ich jetzt ein wenig ausgeschweift bin – ich hoffe, Sie verzeihen mir –, möchte ich noch zu den letzten Themen kommen, die auf der Tagesordnung stehen: die KVB-Bereitschaftspraxis und die Notarztversorgung im Landkreis Kronach. Beides sind Themen, mit denen ich mich schon lange immer wieder intensiv befasse.
Im Juni wird die neue Bereitschaftspraxis an der Kronacher Klinik in Betrieb gehen. Und ich denke, dieser Tag wird ein guter Tag für den Landkreis Kronach sein. Das Projekt „Bereitschaftspraxis“ war gerade im Landkreis Kronach umstritten, aber nach sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile bin ich schon längere Zeit davon überzeugt, dass die Bereitschaftspraxis ein Gewinn für den Landkreis Kronach ist. Die Praxis wird den Menschen eine zentrale Anlaufstelle außerhalb der Sprechstundenzeiten bieten und sie wird einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Notaufnahme der Klinik zu entlasten. Auch muss es der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) gelingen, durch die Bereitschaftsdienstreform die zunehmende Dienstfrequenz der Ärztinnen und Ärzte vor Ort zu begrenzen und im besten Fall zu verringern. Die Erfahrungen aus Landkreisen, in denen die Reform bereits längere Zeit umgesetzt ist, stimmen mich da sehr zuversichtlich. Dass die Geschäftsführung der Frankenwaldklinik sich zur Realisierung der Bereitschaftspraxis an der Klinik für eine Kooperation mit der KVB entschlossen hat, begrüße ich sehr.
Nun zum Notarztdienst: Die Situation im Notarztdienst im Landkreis Kronach war bereits in den letzten Jahren aufgrund der geringen Personaldecke vor Ort und der weitgreifenden Räumlichkeit des Landkreises mit ländlicher Struktur schwierig. Deswegen habe ich immer wieder Gespräche mit der KVB geführt, die den Sicherstellungsauftrag hat, um Lösungen für die Probleme vor Ort zu erreichen. Nun stellt sich die Situation im Rückblick auf das Jahr 2017 aufgrund der immer geringer werdenden Personaldecke im Landkreis und der Schwierigkeit, Poolärzte für den Dienst vor Ort zu gewinnen, wieder deutlich bedenklicher dar. Deswegen werde ich in Kürze gemeinsam mit Landrat Klaus Löffler und der KVB besprechen, wie wir auch diese Herausforderung am besten bewältigen können. Bei allen Grundsatzfragen, die heute zur Sprache kamen, muss es uns vor allem darum gehen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten und Lösungen zu finden, damit wir – unsere Kinder und Enkel – in unserer Heimat gut leben können. Dazu gehört auch eine Klinik.
Ich weiß um die schwierige Situation für das Personal in einigen Bereichen.
Ich weiß von Überlastung und dicken Tränen.
Ich weiß von Unzufriedenheit und Krankheit.
Ich weiß von freien Tagen, die eigentlich nicht frei sind.
Ich weiß von der hohen Fluktuation bei den Ärzten und offenen Stellen.
Ich weiß um die Problematik einer nicht erkennbaren Strategie.
Ich kann Ihnen versichern: Wir werden uns der Sache annehmen!